Was ist eine Superzelle?
Die Superzelle ist eine langlebige Gewitterzelle, welche über einen beständig rotierenden Aufwindbereich verfügt und stellt so die kräftigste Form eines Einzelzellengewitters dar. Schätzungsweise 10% aller global auftretenden Gewitter sind Superzellen. Somit handelt es sich bei einem Superzellengewitter im Vergleich zu anderen Gewitterarten zwar um ein doch recht seltenes, aber bedingt durch ihre extremen Begleiterscheinungen wie heftige Orkanböen, großer Hagel oder Tornados, sehr gefährliches Naturphänomen. Den meisten ist diese Gewitterart wohl aus den USA bekannt, wo es jedes Jahr im Frühling und Sommer zu heftigen Unwettern durch Superzellen mit teils verheerenden Tornados und anderen Begleiterscheinungen kommt. Doch auch in Deutschland und Europa gibt es jährlich kräftige Superzellen welche mit ihren unwetterartigen Begleiterscheinungen für teils erhebliche Schäden sorgen.
Das Bild oben zeigt die riesige Mesozyklone im Aufwindbereich einer heftigen Superzelle aus dem Jahr 2009 im Kreis Heinsberg. Man erkennt die rotierende Mesozyklone sehr gut am kreisrunden Aufwindteller der Zelle. Darunter befindet sich eine massive Wallcloud welche man in dieser Form und Größe in Deutschland nicht ganz so oft zu sehen bekommt. So eine Meso kann durchaus eine horizontale Ausdehnung von bis zu 10 Km erreichen und im Extremfall die Aufwindgeschwindigkeit einer Superzelle auf über 200 km/h verstärken.
Wie kann man eine Superzelle erkennen?
Bild: Seitenansicht einer klassischen Superzelle vom 30.06.2022 im südwestl. NRW
Hauptmerkmal einer Superzelle ist in erster Linie der hochreichend rotierende Aufwindbereich (Mesozyklone) welcher in den meisten Fällen auch eine sog. Wallcloud (deutliche Absenkung der Aufwindbasis) ausbildet. Mit dem Forward Flank Downdraft (FFD) sowie dem Rear Flank Downdraft (RFD), verfügen Superzellen, über zwei, voneinander getrennte Abwinde welche den Aufwind der Zelle "flankieren". Zwischen diesen beiden Abwindzonen befindet sich der Inflow (Zustrom feuchtwarmer Luft, meist auf der Süd / Südostseite). Dies löst eine Art Selbsterhaltungsprozess der Superzelle aus, der das gesamte System über mehrere Stunden am Leben halten kann. Während der gewöhnliche Lebenszyklus eines einfachen Gewitters ca. 30 Minuten beträgt, kann eine Superzelle bei günstigen Bedingungen so durchaus 6 oder mehr Stunden bestehen. Es wurden bereits, vor allem in den USA, Superzellen beobachtet deren Lebensdauer über 10 - 12 Stunden betrugen.
An dieser Stelle sei aber darauf hingewiesen, dass auch Multizellen in gut gescherter Umgebung oder orographisch begünstigt, eine eingelagerte, kurzlebige Mesozyklone aufweisen können. Ein gutes Beispiel dafür ist z.B das schwere Hagelunwetter bei Mechernich-Kommern vom 20.05.2012 wo eine sehr gut organisierte Multizelle im Lee der Eifel eine Mesozyklone entwickelte und so durch den verstärkten Aufwind, viel Hagel produzieren konnte welcher in den umliegenden Ortschaften für eine mehrere Zentimeter dicke Hageldecke sorgte.
Der Forward Flank Downdraft (FFD) entsteht in Zugrichtung gesehen auf der Vorderseite der Superzelle. Er ist gekennzeichnet durch den Bereich des stärksten Niederschlags der Superzelle und führt meistens auch Hagel mit sich, wobei im Grenzbereich zwischen Aufwind und FFD meistens der größte und meiste Hagel fällt. Der Rear Flank Downdraft (RFD) bildet sich rückseitig der Superzelle. Je nach Superzellentyp kann der RFD nahezu Niederschlagsfrei (meist bei sog. LP Superzellen) oder aber ähnlich wie der FFD von starken Niederschlägen begleitet sein (sog. HP Superzelle). In vielen Fällen bildet sich an der Auf/Abwindgrenze des RFD eine markante Böenfront aus.
Zusätzlich zu den oben aufgeführten Merkmalen, bilden viele Superzellen darüber hinaus häufig eine kräftige nach süd/südwest ausgerichtete Versorgungslinie (flanking line) aus. Dies ist meistens ein Indiz dafür, dass sich die Superzelle weiterhin gut mit frischer feuchtwarmer Luft versorgt. Das Bild oben zeigt die kräftige Flanking-Line der Superzelle Heinsberg vom 21.07.2009.
Wann ist ein Gewitter eine Superzelle?
Früher verifizierte man eine Superzelle daran, dass ihr Aufwindbereich über einen Zeitraum von mindestens 30 Minuten konstant rotierte. Heute wird dieses Indiz als Superzellenschwellwert aber eigentlich kaum noch berücksichtigt. Rein visuell lassen sich Superzellen, auch aufgrund oben angesprochener Sonderformen, nicht eindeutig bestätigen. Um ein Superzellengewitter eindeutig als solches identifizieren zu können, bedarf es der Analyse der hochaufgelösten Radar- und Radialwinddaten eines Dopplerradars (letzteres wird von div. Wetterseiten häufig als Superzellen Radar oder Tornado Radar bezeichnet).
Superzellen auf dem Radar erkennen
Auf dem Radar erkennt man eine Superzelle häufig am sog. V-Notch (eine nach vorne, V-Förmige Ausrichtung des Niederschlags) sowie an dem berühmten Hook-Echo, einer hakenförmigen Radarsignatur welche durch den, um die Mesozyklone herum angesaugten Niederschlag sichtbar wird.
Superzellensignatur vom 30.06.2022 |
Radarbild einer Superzelle vom 09.06.2014 |
Superzellen haben in den meisten Fällen oft die Eigenschaft nach rechts- (Rightmover) oder links (Leftmover) aus der Hauptströmung auszuscheren. Zum Verständnis ein Beispiel: In einer Südwest => Nordost Strömung gibt es eine kräftige Zellentwicklung welche sich, entgegen der Hauptströmung, nach Südost verlagert. Man spricht von einem Rightmover. Dies liegt am zumeist starken Rechtsdrehen des Windes, dem sog. Veering im unteren Teil der Troposphäre. Auf dem Radar ist dieses "Ausscheren" meistens sehr gut zu erkennen, jedoch alleine, nicht automatisch ein Indiz für eine Superzelle.
Folgend ein Radarloop wo dieses "Ausscheren" sehr gut zu erkennen ist:
Auf den Radarbildern mit den Doppler-Radialwinddaten oder eben wie gesagt bei einigen Wetterseiten auch als Superzellen Radar oder Tornado Radar bezeichneten Radarbildern, lässt sich die Zirkulation der Mesozyklone im Auf und Abwindbereich sehr gut erkennen.
Arten und Gefahren von Superzellen
Superzellen treten in drei unterschiedlichen Erscheinungsformen auf. Man unterscheidet zwischen HP-Superzelle (High Precipitation), LP-Superzelle (Low Precipitation) und der klassischen Superzelle, wobei letzteres die wohl am häufigsten zu beobachtende Art ist. Manchmal wechseln Superzellen (zyklische Superzelle) während ihres gesamten Lebenszyklus zwischen den einzelnen Arten (LP wird zur Classic Superzelle und anschließend zur HP Superzelle). Unter günstigen Bedingungen kommt es vor, dass sich bevorzugt HP Superzellen, mit fortschreitender Entwicklung in ein sog. Bow-Echo entwickelt.
HP Superzelle
Die HP Superzelle kennzeichnet sich durch heftige Niederschläge, die Basis samt der Meso und der darunter hängenden Wallcloud ist hier meistens vom Niederschlag völlig eingehüllt. Dies macht diese Superzellenklasse auch so gefährlich, denn ein möglicher Tornado lässt sich hier nicht frühzeitig erkennen. Weitere Gefahrenpunkte dieser Superzellenklasse sind heftige Fallböen sowie intensiver Hagelschlag. Die meisten Tornadoereignisse treten im Bereich einer HP Superzelle auf.
Bild: HP Superzelle vom 18.08.2011 bei Zülpich. Zu sehen ist der mit Niederschlag gefüllte RFD samt massiver Shelfcloud. Etwa in Höhe der Baumreihe in der Bildmitte befindet sich die Mesozyklone samt Wallcloud während sich über der Baumreihe rechts ein Inflowband abzeichnet.
Folgend die Radarsignatur oben gezeigter HP-Superzelle mit Bezeichnungen. Auffallend ist hier die S-Förmige Anordnung der Niederschlagfelder des Forward Flank Downdraft sowie des in diesem Fall nassen Rear Flank Downdraft.
LP Superzelle
Sie ist genau das Gegenteil der HP Superzelle. Diese Art Superzelle produziert nur wenig Niederschlag der visuell auch kaum Sichtbar ist. Dafür muss jedoch mit heftigen Fallwinden, großem Hagel und auch, zwar deutlich seltener als bei der klassischen und der HP Superzelle, mit Tornados gerechnet werden.
Bild: LP Superzelle (Quelle: Pixabay). An diesem Beispiel erkennt man schön den rotierenden Aufwindbereich und den mit nur wenig Niederschlag gefüllten FFD (rechts vom Aufwind / der Meso). Hier im Beispiel ist der RFD komplett trocken (links hinter dem Aufwind / der Meso)
Klassische Superzelle
Bei dieser Art ist der Auf- und Abwindbereich deutlich voneinander abgegrenzt und der Beobachter hat freie Sicht auf den Aufwindbereich und der ggf. ausgebildeten Wallcloud. Neben extremen Niederschlag ist diese Art ebenfalls in der Lage heftige Fallwinde, großen Hagel und Tornados zu produzieren. Die klassische Superzelle zählt zu den am häufigsten zu beobachtenden Superzellen.
Bild: Klassische Superzelle vom 21.07.2009 bei Heinsberg.
Vorhersagebedingungen und wichtige Parameter für Superzellen
-
Vorhandensein von Richtungs- und Geschwindigkeitsscherung (ideal rechtsdrehend „Veering“
-
hochreichende Labilität
-
Vorhandensein von CIN
Vorhersageparameter für das „Index-based forecasting“ welche für die Entwicklung von Superzellen relevant sein können:
-
SCP (Supercell Composit Parameter)
Ist dieser Wert => kleiner 1 sind keine Superzellen zu erwarten
zwischen 1-4 sind einzelne Superzellen möglich
größer als 4 sind Superzellen sehr wahrscheinlich -
SRH 0-3 (Storm Relative Helicity)
Ist dieser Wert => kleiner 1 sind keine Superzellen zu erwarten
zwischen 1-4 sind einzelne Superzellen möglich
größer als 4 sind Superzellen sehr wahrscheinlich -
DLS (Deep Layer Shear)
Bei Werten größer als 15 m/s sind Superzellen und auch Tornados möglich (Beachtung von LLS, Grenzschichtfeuchte usw.)
*Diese Beschreibung wurde von einem Hobbymeteorologen nach eigenem Wissensstand geschrieben. Es besteht somit keine Gewährleistung auf eine hundertprozentige Fehlerfreiheit des Inhalts.